Frühgeschichte der Autobahnen in Österreich mit Fokus auf NS-Zeit wird erforscht
Neues Forschungsprojekt für die Jahre 1935 bis 1950, besondere Berücksichtigung der Themen Arbeitswelt, Beschäftigungspolitik und ZwangsarbeitAuf Initiative und finanziert vom Mobilitätspartner und Infrastrukturbetreiber ASFINAG startet die Österreichische Gesellschaft für Zeitgeschichte unter der Projektleitung von Dr. Bertrand Perz, Universitätsprofessor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien und ausgewiesener Experte für NS-Geschichte, ein zweijähriges Forschungsprojekt zur Frühgeschichte der Autobahnen in Österreich.
„Erstmals werden dabei die Anfänge des Autobahnbaues während der Zeit des Nationalsozialismus für das gesamte österreichische Staatsgebiet untersucht. Mit diesem Forschungsprojekt wollen wir als Unternehmen der Republik gesellschaftliche Verantwortung für die Aufarbeitung eines dunklen historischen Kapitels übernehmen“, sagen die ASFINAG-Vorstände Hartwig Hufnagl und Josef Fiala.
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler: „Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus auf allen Ebenen ist bei weitem mehr als eine symbolische Geste. Denn niemals vergessen ist mehr als bloßes Erinnern. Es ist ein Handlungsauftrag an uns alle im Hier und Jetzt. Projekte wie jenes der ASFINAG sind daher von großer Bedeutung für die historische Aufarbeitung dieser schrecklichen Zeit unseres Landes.“
Forschungsprojekt verspricht neue Erkenntnisse
Wissenschaftlich aufgearbeitet werden soll auf Initiative der ASFINAG die frühe Geschichte der Autobahnen in Österreich zwischen 1935 und 1950 mit einer Schwerpunktsetzung auf die Themen Arbeitswelt, Beschäftigungspolitik und Zwangsarbeit von zivilen ausländischen Arbeitskräften und Kriegsgefangenen während der NS-Zeit.
Professor Bertrand Perz zur geplanten Studie: „Autobahnen sind ein wesentlicher Teil unserer Lebenswelt, die Zweite Republik ist von ihrem Bau geprägt. Mit dem Projekt ergibt sich die Chance, eine wichtige Forschungslücke bezüglich der Anfänge des Autobahnbaues in Österreich während der Zeit des Nationalsozialismus zu schließen. Damit können nicht nur viele Mythen, die sich um den Autobahnbau in der NS-Zeit ranken widerlegt werden, auch der massive Einsatz von Zwangsarbeitsarbeitskräften wird erstmals systematisch untersucht.“
Dafür werden vom Forschungsteam um Perz Quellen in nationalen und ausländischen Archiven ausgewertet. Dem Team werden auch umfangreiche Unterlagen aus den 1930er und 1940er Jahren zugänglich gemacht. Diese haben aus Beständen der Deutschen Reichsautobahnen (RAB), über die in der Zweiten Republik mit der Autobahnverwaltung betrauten Bundesländer den Weg in Archive der 1982 gegründeten ASFINAG gefunden. Die Ergebnisse dieses Forschungsprojektes sollen in etwa zwei Jahren in einer umfangreichen Publikation der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Die Anfänge des Autobahnbaus zur Zeit des Nationalsozialismus
Bereits in der Ersten Republik wurden Planungen für die Autobahn angestellt. Jedoch erfolgte gleich wenige Tage nach der Annexion Österreichs der propagandistisch inszenierte Spatenstich (7. April 1938) zum Bau der Reichsautobahn auf dem Walserberg bei Salzburg. Binnen drei Jahren sollte die Strecke von Salzburg bis Wien errichtet sein. Ende 1941 wurden kriegsbedingt alle Bauarbeiten beendet. Bis dahin konnten in Österreich bzw. in der sogenannten „Ostmark“ nur zwei kurze Abschnitte bei Salzburg fertig gestellt werden. Teilweise waren aber Erdarbeiten und der Bau von Brücken entlang der heutigen West-, Tauern- und Wiener Außenringautobahn bereits weit fortgeschritten – so weit, dass die Bauaktivitäten der Zweiten Republik ab den 1950er Jahren darauf aufsetzen konnten.